Hersteller von Bauprodukten sind bestrebt, ihre internen Prozesse zu optimieren, um wettbewerbsfähiger, innovativer und leistungsfähiger zu werden. Dabei steht außer Frage, dass Digitalisierung einer der wichtigsten Hebel ist, dieses Ziel zu erreichen. Doch wie kann man den Optimierungsprozess weiter vorantreiben und verbessern?
Die Bedeutung des Begriffs „digital“ reicht heutzutage weit über den Computer-Hard- und Softwarebereich hinaus. Zwar wurden digitale Technologien zu Beginn in erster Linie von Unternehmen der Finanz- und Kommunikationsbranche aufgenommen und adaptiert, jedoch gibt es mittlerweile keinen einzigen Industriebereich, der vom grundlegenden Wandel nicht betroffen ist.
Ob Rohstoffförderung oder Gesundheitswesen: alle Unternehmen weltweit benötigen eine leistungsfähige digitale Infrastruktur, um erfolgreich zu sein. Das Baugewerbe, das global betrachtet nach wie vor zu den am wenigsten digitalisierten Branchen gehört, bildet da keine Ausnahme.
Wie Software Unternehmen verändert
In einem 2011 vom Wall Street Journal veröffentlichten Essay mit dem Titel „Why Software is Eating the World“ (frei übersetzt: Warum Software die Welt erobert) prognostizierte der amerikanische Unternehmer Marc Andreessen, dass in Zukunft jedes Unternehmen ein Softwareunternehmen sein wird.
Sinngemäß schreibt Andreessen, dass immer mehr Unternehmen und Industrien ihr Geschäftsmodell umstellen und auf Software und Online-Diensten aufbauen müssen – von der Film- und Fernsehbranche über die Landwirtschaft bis hin zur nationalen Verteidigung. Zudem müssten Unternehmen aller Branche davon ausgehen, dass eine Software-Revolution bevorsteht. Dies schließe sogar Branchen ein, die heute bereits softwarebasiert arbeiten. In anderen Branchen, insbesondere in solchen mit starkem Praxisbezug, wie beispielsweise dem produzierenden Gewerbe, sei die Software-Revolution in erster Linie eine Chance für etablierte Unternehmen..
Die Aussagen von Andreessen stimmen mit der Situation in der Baubranche überein: Digitale Konzepte und Dienste wie BIM, Drohnen und Laserscanning sind bereits auf modernen Baustellen zu finden. Auch Technologien wie KI (Künstliche Intelligenz), Augmented Reality (AR) oder das Internet of Things (IoT) boomen und verändern alle Bauphasen – und haben einen Prozess in Gang gebracht, der nicht mehr umkehrbar ist.
Neue Chancen – neue Risiken
Die neuen digitalen Modelle und Technologien bieten Unternehmen einzigartige Möglichkeiten und Lösungen. Werden diese für Bauprojekte genutzt, hat die gesamte Branche die Chance, effizienter, profitabler und umweltfreundlicher denn je zu agieren. Fehlen jedoch die richtigen Konzepte und Strategien, birgt die digitale Transformation neue Risiken, die sich in vielen Fällen sogar existenzbedrohend auswirken können.
Ein Beispiel: Zu Beginn dieses Jahrhunderts dominierte ein Hersteller aus der kleinen finnischen Stadt Nokia den Weltmarkt für Mobiltelefone. Der Name stand innerhalb relativ kurzer Zeit als Synonym für einen erfolgreichen Technikgiganten. Nachdem Nokia jedoch die Entwicklung in Richtung app-basiertes mobiles Betriebssystem vernachlässigte, geriet das bis dato als „too big to fail“ eingestufte Unternehmen in Schieflage.
Unternehmen, die die Entwicklungstendenzen hin zu Industrie 4.0 in ihrer Strategie berücksichtigen und gut gerüstet in die Zukunft gehen wollen, gelangen voraussichtlich zu der Schlussfolgerung, dass ihre Unternehmen digitaler und ihre Produkte smarter, sprich „intelligenter“, werden müssen.
Digitalisierung soll Dinge vereinfachen, nicht verkomplizieren
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Hersteller auf Veränderungen reagieren, statt selbst zu agieren. Im Ergebnis werden dann oft umfangreiche technische Erweiterungen ebenso wie kleinere technische Spielereien, auch als Add-ons und Gimmicks bezeichnet, in die Geschäftsmodelle integriert.
Als Folge davon kommen zum Teil Produkte mit scheinbar beeindruckenden Eigenschaften auf den Markt, die bei näherer Betrachtung jedoch oft nur geringen Nutzen stiften und/oder mangelnde Benutzerfreundlichkeit aufweisen. Solche Ansätze bewirken in aller Regel das Gegenteil von dem, was Digitalisierung erreichen sollte: nämlich Dinge einfacher zu machen.
Wie sollten Hersteller ihre Geschäftsmodelle optimieren?
Auch im Bauwesen mag man versucht sein, Produkte durch Hinzufügen neuer Funktionen zu „digitalisieren“ oder durch neue Vermarktungsstrategien zu pushen. Sogenannte Add-ons und Gimmicks für Produkte verkomplizieren und erschweren jedoch häufig deren Anwenderfreundlichkeit und mindern bei genauerer Betrachtung deren Mehrwert, statt ihn zu erhöhen. Gleichzeitig geraten wichtige und sinnvolle Entwicklungstendenzen oft aus dem Fokus.
Im Fall von Nokia wurde das Potential von Touchscreens und einem App-Ecosystem nicht richtig erkannt, wohingegen Firmen wie Apple und Samsung sich durch das Thema neu positionieren konnten. Heutzutage sind Touchscreens und die Verwendung von Apps so selbstverständlich und allgegenwärtig, dass es schwerfällt, sich die Welt ohne sie vorzustellen.
Die Verantwortlichen im Baugewerbe benötigen hohe Fachkompetenz und tiefgehendes Verständnis für ihr Fachgebiet, ebenso wie die Fähigkeit zu ausgeprägtem analytischem Denken, um die Chancen der digitalen Transformation nutzen zu können. Nur durch fundiertes Wissen über die Art und Weise, wie Menschen zusammenarbeiten und wie sich Prozesse in Zukunft optimieren oder neu strukturieren lassen, können Innovationen entstehen. Ob Identifikation neuer Benutzergruppen, Erzeugung neuer Nachfrage, Entwicklung neuer Produkte, Gewinnung neuer Partner oder Erschließung neuer Märkte – das Spektrum möglicher Innovationen ist groß.
Grundlegende Veränderungen in der Bauplanung
Erfolgreiche digitale Transformation beschränkt sich nicht auf die Entwicklung eines einzigen, intelligenten Produkts oder auf die sinnvolle Erweiterung eines neuen Softwareprogramms. Sie bedeutet vielmehr eine ganzheitliche Veränderung des gesamten Ökosystems eines Unternehmens, die sich positiv auf die verschiedenen Phasen des Konstruktionsprozesses – von der Planung, über Marketing und Vertrieb bis hin zum laufenden Betrieb – auswirkt.
Im Bauwesen wird die digitale Planung für Hersteller oft auf Kundenseite geleistet. Zum Teil wird dies als Zusatznutzen und Mehrwert für das Produkt gesehen. Diese Tendenzen verschieben sich jedoch allmählich: die Produkte selbst treten immer mehr in den Hintergrund, stattdessen spielen Dienstleistungen und neue Geschäftsmodelle eine immer größere Rolle. Durch die Digitalisierung verschiebt sich der Fokus weg von rein produktorientierten, nicht vernetzten Ansätzen hin zu Systemen und Lösungen, die verschiedene Produkte und Anwendungen miteinander verbinden.
Angestrebtes Ziel ist es, durch digitale Werkzeuge wie BIM für alle Beteiligten – sprich sowohl für Unternehmen als auch für Kunden – einen lückenlosen und reibungslosen Prozess zu gestalten. Grundlage dafür ist die Schaffung einer digitalen Infrastruktur in der Bauchbranche. Ist diese erst einmal geschaffen, kann und wird einfacher, schneller, kostengünstiger und umweltfreundlicher gebaut werden.